BEGEGNUNGEN MIT MAO
Die tiefliegenden Wolken am Himmel über Hong Kong lockern nach Tagen endlich leicht auf. Einem Ausflug zur Tian-Tan Buddhastatue auf Lan Tau, eine der größeren Inseln neben Hong Kong, steht nichts mehr im Wege. Die ca. halbstündige Fahrt mit der sicherlich modernsten U-Bahn der Welt bringt uns schnell aus der Stadt. Wir beobachten einen älteren Herrn, der tief in sich versenkt, mit vollkommen abwesendem Gesichtsausdruck in Bewegungslosigkeit verharrt. Weder sein Nachbar, der ununterbrochen leise auf ihn einredet, noch der knapp zweijährige Junge, der ihm gegenüber von seiner Mutter auf den Sitz gestellt in aller Ruhe in eine bereitgehaltene Plastiktüte pinkelt, können ihn aus seiner Trance holen. Die Großmutter des Buben verknotet sorgfältig die gefüllte Tüte und lässt sie in ihrer Einkaufstasche verschwinden.
Als wir an unserem Ziel in Tung Chung ankommen, verdeckt den Himmel wieder eine schwere Wolkendecke. Gemeinsam mit unzähligen gegen Regen gutgerüsteten und bestens gelaunten chinesischen Ausflüglern fahren wir mit der Seilbahn auf den 934 m hohen Lan Tau Peak. Bereits nach wenigen Minuten ist unsere Gondel von Wolken umhüllt. Dass man aus dieser Höhe einen wunderbaren Blick auf grüne Inseln und weit über das Meer auf das chinesische Festland hat, können wir nur ahnen.
An der Bergstation flüchten wir vor der Nässe der Wolken in ein malerisches Teehaus. Im ersten Stock entdecken wir über einem Tisch, der zur Teebereitung eingedeckt ist, zwei großformatige Fotos des 1976 verstorbenen Mao Zedong (in älterer Transkription: Mao Tse-Tung). Auf dem linken Bild sitzt er auf einem Stuhl, die Beine übergeschlagen, in der Hand eine Zigarette. Das rechte zeigt ihn unter bewölktem Himmel weit in ein unbewohntes hügeliges Land schauend. Wir sind verblüfft. Ist uns doch noch unsere Chinaliteratur in Erinnerung, in der Mao von chinesischen Kritikern und westlichen „Chinakennern“ als Despot, Diktator, Führer marodierender Banden verteufelt wurde. Wir fragen Kim, eine der drei bemühten Teedamen, die uns Haus, Mobiliar, Gerätschaften zur Teezubereitung erklärt, nach dieser persona non grata. Kim, erst zehn Jahre nach Maos Tod geboren, belehrt uns ohne Argwohn, dies sei ihr „priseident“!? Da sie die Betonung auf die Mitte des Wortes legt, erkennen wir erst nach Wiederholung, dass sie auf postkolonialem Boden mit großer Selbstverständlichkeit von „ihrem“ Präsidenten spricht.
Gleich nach der Einreise in die Volksrepublik begegnen wir Mao das zweite Mal und von da an ständig. Mit Kreditkarte lassen wir uns vom Geldautomaten zweitausend Yuan, umgerechnet knapp zweihundert Euro, auszahlen. Auf jedem Geldschein der Volkswährung sind links oben das chinesische Wappen und groß im rechten Drittel das Konterfei des großen Vorsitzenden abgebildet. Würdevoll genießt Mao im westlich geprägten Sozialismus ein Überleben auf dem Tauschmittel des kapitalistischen Marktes.
In Guilin entdecken wir ein großes Restaurant, in dem der Gast nach amerikanischem Prinzip - „all you can eat“ - am Buffet seinen Teller nach Belieben voll laden kann: Scharfe Nudelsuppen, verschiedene Reisgerichte, Gemüse, Fisch und Fleisch in würzigen Saucen, gefüllte Austern - die Auswahl ist überzeugend. Lange Spieße mit frisch gegrilltem Fleisch werden an die Tische getragen, von denen nachgelegt wird, bis man mit einer runden Scheibe auf dem Tisch anzeigt, dass man genug hat. Über dem reichhaltigen Obst- und Kuchenbuffet freut sich Mao auf einem großen Wandgemälde über den Appetit seiner Landsleute. Für umgerechnet vier Euro fünfzig pro Person sehen wir hier selbst größere Familien speisen. Das Lokal ist gut gefüllt, die Verweildauer der Gäste in der Regel kurz.
Auf dem Weg zum größten südchinesischen Teemarkt in Guangzhou kaufen wir in einem Schreibwareladen ein kleines rotes Mao-Büchlein in Chinesisch mit englischer Übersetzung: Worte des Vorsitzenden Mao Tse-Tung. Vor dem Laden hängen alte verstaubte Portraits politischer Führer. Der Besitzer des Ladens freut sich, dass wir ihre Namen kennen: Mao Zedong, Zhou Enlai, Deng Xiaoping, Sun Yatsen. Der Teemarkt ist eine Überraschung. In einem der zahllosen Großhandelsgeschäfte werden wir zur Teeprobe eingeladen. Der Händler hat sich auf Pu Er Tee spezialisiert. Er überwacht und kommentiert aufmerksam seine Zubereitung durch die beiden charmanten Helferinnen, die mit großer Fingerfertigkeit immer wieder neuen Tee brühen und uns in kleinen Schälchen zum Probieren anbieten. An der Wand hängt eine Fotografie, die den Inhaber in seiner Teehandlung mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zeigt.
Ebenfalls in Guangzhou besuchen wir das Institut der Bauernbewegung. Das heutige Museum ist auf dem Gelände eines ehemaligen konfuzianischen Tempels um einen großen Innenhof angelegt. Es beherbergte von 1924 bis 1926 die von der Kommunistischen Partei gegründete Schule, in der auch Mao unterrichtete. Wir besichtigen hier den wiederhergerichteten Wohnraum Maos, indem Mao als Wachsfigur neben seinem Bett ausgestellt ist.
Die kleine Ausstellung im Quergebäude des Museums gibt einen Überblick über die politische Entwicklung Chinas unter der Kommunistischen Partei und ihre jeweiligen Führer: Bauernbewegung, Langer Marsch, Kampf gegen die japanischen Besatzer, Auseinandersetzung mit der Kuomintang, Einigung des Landes und Ausrufung der Volksrepublik, Bodenreform, Kulturrevolution, Kampf gegen Hunger, Ein-Kind-Politik, wirtschaftliche Reformen. Es wird hier deutlich, dass in einer relativ kurzen Epoche enorme politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Umwandlungen stattgefunden haben, die im Wesentlichen auf Maos Einfluss zurückzuführen sind. Die Ausstellung zeigt auch die Korrekturen der politischen Linien Maos und die sie vertretenden politischen Repräsentanten.
Vier Wochen später – immer noch in China - begegnet uns Mao in ungewöhnlicher Umgebung. Am 01.04.2011 finden wir in der
Internetausgabe der Süddeutschen Zeitung unter der Überschrift „In weiter Ferne so nah“ ein Bild, das Guido Westerwelle vor einem monumentalen Gemälde zeigt, auf dem Mao hinter einem Rednerpult
steht.
SECHS JAHRE SPÄTER
Eine der vier geplanten Wochen liegt nun hinter uns. Wir sind in Ubud, einem bekannten Touristenziel in der Mitte der Insel Bali. Der Schlafrhythmus ist angepaßt, dank der ca 300 m über dem Meeresspiegel weht immer ein kühlendes Lüftchen, das Klima ist sehr gut erträglich.
Unserer Unterkunft besteht aus drei Chalets mit insgesamt sechs Ferienwohnungen. Wir haben eine offene, nicht überdachte Dusche, eine Terrasse und einen großen Schlafraum mit Blick auf Reisfelder und tropische Vegetation.
Das Dörfchen Ubud habe ich das erste mal vor ca. 40 Jahren besucht. Es gab damals noch keinen elektrischen Strom und nur drei Übernachtungsmöglichkeiten. Nicks Losmen war eine davon. Nick ist heute Besitzer von fünf zeitgemäßen touristischen Einrichtungen, alle mit Swimmingpool. Er arbeitet nicht mehr. Nick habe ich nicht gefunden, dafür einen seiner Söhne. Er hat sofort ein Foto von uns gemacht und seinem Vater geschickt. Dieser lässt uns grüßen und fragt, warum wir nicht bei ihm wohnen.
Die Dorfstraße, in der wir untergebracht sind, hat sich vollkommen verändert. Gepflasterte schmale Straße, jede Menge Geschäfte, Anbieter von Touren, Taxifahrten oder Motorrollern, Essplätze und kleine Hotels zeigen den Fortschritt, der ganze Familien ernähren soll.
In den zwei Jahren der Pandemie haben auch die Balinesen sehr gelitten. Durch das Reiseverbot sind die Touristen weggeblieben. Jetzt, mit der Öffnung, sind auch die Menschen wieder zuversichtlich. Sie wissen, dass Bali immer ein Sehnsuchtsort für viele Menschen auf der Welt bleiben wird. Auch wenn sich vieles verändert. Immerhin - die Menschen sitzen in Gruppen oder allein vor ihren Häusern oder Geschäften. Sie grüßen jeden, der vorbeiläuft. Sie haben ihren Humor nicht nur behalten sondern zu einem Überritual gemacht. Wenn man wieder und wieder mit scheinbar freundlichem Interesse gefragt wird, ob es einem gut gehe, wohin man denn jetzt gehe, und man mit scherzhaftem Ton antwortet, man wisse schon, dass sie einem nur eine Taxifahrt aufschwätzen wollten, brechen sie in herzhaftes Lachen aus und die ganze Gruppe der dabeisitzenden Männer lacht begeistert laut mit.. Sie nehmen es einem auch nicht übel, wenn man ihre Begrüßung "Hallo Pa" mit "Hallo Ma" beantwortet .Nach einigen Tagen sind wir bereits bekannt und der Gang über die Dorfstraße wird nur noch mit freundlichem "Hallo" begleitet.
Wir waren in der Zeit, die wir auf Sizilien lebten, nie Eis essen gegangen. Hier auf der Jalan Bisma waren wir. Die Eisdiele nennt sich Lina Roxborough. Im Raum hinter ihrer Eis -Theke produziert Lina Eis und malt bunte Blumenbilder. Davor sind zwei kleine Tischchen und vier Stühle aufgestellt. Lina ist einem Gespräch nicht abgeneigt und erzählt mit wenigen Sätzen ihr halbes Leben. Ihr Nachname komme von ihrem an Krebs gestorbenen Ehemann. Er stammte aus England. Dort würden jetzt auch beider Kinder leben und sie besucht den Rest der Familie jedes Jahr für vier Monate. Mit leichtem Schmunzeln erzählt sie uns, dass sie bisher vergeblich seine Liste gesucht habe. "Seine Liste?" Ja, er habe in den letzten Monaten seiner Krebserkrankung Männer, die er für sie als seine Nachfolger für geeignet hielt, auf eine Liste setzen wollen. Und diese Liste suche sie jetzt. Der Mann scheint viel Humor gehabt zu haben.
Heute beim Frühstück auf der Gemeinschaftsterrasse gab es große Aufregung. Das tschechische Ehepaar an unserem Nachbartisch erhielt überraschend Besuch von einer ausgewachsenen Makakendame. Blitzschnell kam die Äffin aus dem Reisfeld über das Geländer gesprungen, rauf auf einen freien Stuhl, mit zwei sicheren Griffen wurden eine Banane und eine Toastbrotscheibe gegriffen und ab zurück ins Reisfeld. Jedes laute Schreien und Wedeln mit den Händen kam zu spät. Hingegen kamen von allen Seiten weitere Artgenossen und aus der Küche die beiden jungen Frauen, die immer den Kaffee, den Fruchtsalat und den Banana-Pancake servierten. Mit Zwille und Bambusstöcken, lautem Klatschen und Schreien aller Anwesenden wurden die ungebetenen Gäste auf Dächer und in die umstehenden Palmen vertrieben. Der Zwischenfall sorgte für reichlich Gesprächsstoff, das entspannte Frühstück stockte für eine Weile.
Unseren Malerfreund aus vergangenen Besuchen haben wir nicht mehr angetroffen. In dem Anwesen seiner Familien trafen wir nur seinen Bruder. Made sei vor vier Jahren gestorben. Das Malereigeschäft läuft weiter. Mades Sohn hat das Taxigeschäft seines Vaters übernommen. Er war ganz gerührt, dass er uns an Vaters statt von Penestanan zur Jalan Bisma fahren konnte. Wir überlegen Bilder mitzunehmen und sie in Deutschland Galerien anzubieten.
Gestern war es auf der Jalan Bisma für kurze Zeit ganz ruhig. Es war gegen 17:00 Uhr als eine schwarze Limousine, derart wie sie für Taxifahrten angeboten werden, neben einem vornehmen Hotel vorfuhr. Als offensichtliche Fahrgäste erschienen am Hoteleingang zwei Damen schwarzer Hautfarbe. Das allein wäre noch kein Grund gewesen, dass die Männer ihre Gespräche einstellten und ihre Aufmerksamkeit dem gleichen Ereignis zuwendeten. Das Ereignis war eigentlich kein Ereignis: Zwei Damen verlassen eine Balinesische Unterkunft und bewegen sich mit sorgfältig gesetzten Schritten ca. 20 Meter auf ein Auto zu. Die Damen selbst waren das Ungewöhnliche, ja geradezu Erstaunliche. Ihr Alter war schwer einzuschätzen. Sie waren sehr stark geschminkt, die Lippen kräftig rot, die Augen mit künstlichen Wimpern entfremdet, große Ringe an den Ohren. Beider Leibesumfang war gigantisch. Mengen bunten Tuches waren aufgewendet, um enorme Rundungen zusammenzuhalten und zu betonen. An den Füßen trugen sie Pantoffel, ein Paar war mit Pommeln geschmückt. Ihre wenigen Bemerkungen sprachen sie in amerikanischem Englisch.
Dieser Auftritt führte bei den Balinesischen Männern förmlich zu einer Art Atemstillstand. Keiner machte eine Bemerkung. Keiner ließ den anderen erkennen, welch groteskes Schauspiel er eben wahrgenommen hatte. Höflichkeit und Toleranz waren nicht zu überbieten.
Eine der vier geplanten Wochen liegt nun hinter uns. Wir sind in Ubud, einem bekannten Touristenziel in der Mitte der Insel Bali. Der Schlafrhythmus ist angepaßt, dank der ca 300 m über dem Meeresspiegel weht immer ein kühlendes Lüftchen, das Klima ist sehr gut erträglich.
Unserer Unterkunft besteht aus drei Chalets mit insgesamt sechs Ferienwohnungen. Wir haben eine offene, nicht überdachte Dusche, eine Terrasse und einen großen Schlafraum mit Blick auf Reisfelder und tropische Vegetation.
Das Dörfchen Ubud habe ich das erste mal vor ca. 40 Jahren besucht. Es gab damals noch keinen elektrischen Strom und nur drei Übernachtungsmöglichkeiten. Nicks Losmen war eine davon. Nick ist heute Besitzer von fünf zeitgemäßen touristischen Einrichtungen, alle mit Swimmingpool. Er arbeitet nicht mehr. Nick habe ich nicht gefunden, dafür einen seiner Söhne. Er hat sofort ein Foto von uns gemacht und seinem Vater geschickt. Dieser lässt uns grüßen und fragt, warum wir nicht bei ihm wohnen.
Die Dorfstraße, in der wir untergebracht sind, hat sich vollkommen verändert. Gepflasterte schmale Straße, jede Menge Geschäfte, Anbieter von Touren, Taxifahrten oder Motorrollern, Essplätze und kleine Hotels zeigen den Fortschritt, der ganze Familien ernähren soll.
In den zwei Jahren der Pandemie haben auch die Balinesen sehr gelitten. Durch das Reiseverbot sind die Touristen weggeblieben. Jetzt, mit der Öffnung, sind auch die Menschen wieder zuversichtlich. Sie wissen, dass Bali immer ein Sehnsuchtsort für viele Menschen auf der Welt bleiben wird. Auch wenn sich vieles verändert. Immerhin - die Menschen sitzen in Gruppen oder allein vor ihren Häusern oder Geschäften. Sie grüßen jeden, der vorbeiläuft. Sie haben ihren Humor nicht nur behalten sondern zu einem Überritual gemacht. Wenn man wieder und wieder mit scheinbar freundlichem Interesse gefragt wird, ob es einem gut gehe, wohin man denn jetzt gehe, und man mit scherzhaftem Ton antwortet, man wisse schon, dass sie einem nur eine Taxifahrt aufschwätzen wollten, brechen sie in herzhaftes Lachen aus und die ganze Gruppe der dabeisitzenden Männer lacht begeistert laut mit.. Sie nehmen es einem auch nicht übel, wenn man ihre Begrüßung "Hallo Pa" mit "Hallo Ma" beantwortet .Nach einigen Tagen sind wir bereits bekannt und der Gang über die Dorfstraße wird nur noch mit freundlichem "Hallo" begleitet.
Wir waren in der Zeit, die wir auf Sizilien lebten, nie Eis essen gegangen. Hier auf der Jalan Bisma waren wir. Die Eisdiele nennt sich Lina Roxborough. Im Raum hinter ihrer Eis -Theke produziert Lina Eis und malt bunte Blumenbilder. Davor sind zwei kleine Tischchen und vier Stühle aufgestellt. Lina ist einem Gespräch nicht abgeneigt und erzählt mit wenigen Sätzen ihr halbes Leben. Ihr Nachname komme von ihrem an Krebs gestorbenen Ehemann. Er stammte aus England. Dort würden jetzt auch beider Kinder leben und sie besucht den Rest der Familie jedes Jahr für vier Monate. Mit leichtem Schmunzeln erzählt sie uns, dass sie bisher vergeblich seine Liste gesucht habe. "Seine Liste?" Ja, er habe in den letzten Monaten seiner Krebserkrankung Männer, die er für sie als seine Nachfolger für geeignet hielt, auf eine Liste setzen wollen. Und diese Liste suche sie jetzt. Der Mann scheint viel Humor gehabt zu haben.
Heute beim Frühstück auf der Gemeinschaftsterrasse gab es große Aufregung. Das tschechische Ehepaar an unserem Nachbartisch erhielt überraschend Besuch von einer ausgewachsenen Makakendame. Blitzschnell kam die Äffin aus dem Reisfeld über das Geländer gesprungen, rauf auf einen freien Stuhl, mit zwei sicheren Griffen wurden eine Banane und eine Toastbrotscheibe gegriffen und ab zurück ins Reisfeld. Jedes laute Schreien und Wedeln mit den Händen kam zu spät. Hingegen kamen von allen Seiten weitere Artgenossen und aus der Küche die beiden jungen Frauen, die immer den Kaffee, den Fruchtsalat und den Banana-Pancake servierten. Mit Zwille und Bambusstöcken, lautem Klatschen und Schreien aller Anwesenden wurden die ungebetenen Gäste auf Dächer und in die umstehenden Palmen vertrieben. Der Zwischenfall sorgte für reichlich Gesprächsstoff, das entspannte Frühstück stockte für eine Weile.
Unseren Malerfreund aus vergangenen Besuchen haben wir nicht mehr angetroffen. In dem Anwesen seiner Familien trafen wir nur seinen Bruder. Made sei vor vier Jahren gestorben. Das Malereigeschäft läuft weiter. Mades Sohn hat das Taxigeschäft seines Vaters übernommen. Er war ganz gerührt, dass er uns an Vaters statt von Penestanan zur Jalan Bisma fahren konnte. Wir überlegen Bilder mitzunehmen und sie in Deutschland Galerien anzubieten.
Gestern war es auf der Jalan Bisma für kurze Zeit ganz ruhig. Es war gegen 17:00 Uhr als eine schwarze Limousine, derart wie sie für Taxifahrten angeboten werden, neben einem vornehmen Hotel vorfuhr. Als offensichtliche Fahrgäste erschienen am Hoteleingang zwei Damen schwarzer Hautfarbe. Das allein wäre noch kein Grund gewesen, dass die Männer ihre Gespräche einstellten und ihre Aufmerksamkeit dem gleichen Ereignis zuwendeten. Das Ereignis war eigentlich kein Ereignis: Zwei Damen verlassen eine Balinesische Unterkunft und bewegen sich mit sorgfältig gesetzten Schritten ca. 20 Meter auf ein Auto zu. Die Damen selbst waren das Ungewöhnliche, ja geradezu Erstaunliche. Ihr Alter war schwer einzuschätzen. Sie waren sehr stark geschminkt, die Lippen kräftig rot, die Augen mit künstlichen Wimpern entfremdet, große Ringe an den Ohren. Beider Leibesumfang war gigantisch. Mengen bunten Tuches waren aufgewendet, um enorme Rundungen zusammenzuhalten und zu betonen. An den Füßen trugen sie Pantoffel, ein Paar war mit Pommeln geschmückt. Ihre wenigen Bemerkungen sprachen sie in amerikanischem Englisch.
Dieser Auftritt führte bei den Balinesischen Männern förmlich zu einer Art Atemstillstand. Keiner machte eine Bemerkung. Keiner ließ den anderen erkennen, welch groteskes Schauspiel er eben wahrgenommen hatte. Höflichkeit und Toleranz waren nicht zu überbieten.