Liebe Freunde,

 

in meinem kleinen Städtchen Noto trifft man immer wieder auf ungewöhnliche Personen. Wenn man einmal von der Zigeunerin absieht, die ständig, begleitet von einer Bierfahne, auf dem Corso mit ausgestrecktem Arm Touristen um Bargeld angeht, sind es ausnahmslos Männer, die auffallen.  

„Tutti mammoni! Tutti mammoni!“ ruft er - alles Muttersöhnchen! Er ist verärgert, weil er vom Kellner einer Bar höflich aufgefordert wird, entweder etwas zu bestellen oder seinen Stuhl am kleinen Tischchen auf der Piazza anderen Gästen freizumachen. Die Bar ist direkt gegenüber einem alteingesessenen Cafe mit modernem Eistresen und schicken Stühlen auf dem Platz vor dem Theater gerade neu eröffnet worden. Unser Mann steht auf und bewegt sich über die Fußgängerzone in Richtung Dom. Er ist auch für einen Sizilianer kleinen Wuchses, trägt einen sauberen Anzug, Krawatte und gut geputzte Schuhe. Sein Alter ist schwer zu schätzen. Über siebzig ist er gewiss. Die Leute nennen ihn Capitano. Manche erklären ehrfurchtsvoll, er sei Kommandant bei der italienischen Kriegsmarine gewesen. Bei seiner geringen Körpergröße kaum zu glauben. Allerdings spricht er uns häufig auf Englisch an, fragt uns jedes Mal woher wir kommen und beginnt dann von der Hamburger Reeperbahn zu schwärmen. Auch sei er häufig in den USA gewesen und unter dem Kommando der US-Seestreitkräfte gefahren. Wir hören ihm gern zu. Besonders wenn er auf sein Lieblingsthema, die Verweichlichung der jungen Männer, zu sprechen kommt. Und das tut er fast immer. Er erläutert hier seine interessante Theorie vom Zustand des italienischen Mannes. Schuld gibt er ausschließlich ihren Müttern.