PENANG - PERHENTIAN

Zwei Inseln, zwei Welten 

 

Die Halbinsel Malaysias, im Norden an Thailand grenzend und durch Singapur im Süden einen Kontrapunkt erhaltend, hat an der Malaccastraße und dem Südchinesischen Meer zwei in vielfacher Weise gegensätzliche Küstenstreifen. Zwischen den Mangrovensümpfen, die Malaysias riesige Wälder vom Meer trennen und der indonesischen Insel Sumatra verbindet im Westen der alte Schifffahrtsweg den Golf von Bengalen mit Singapur und den Handelsplätzen in China. Im Osten finden wir einige der schönsten und noch ursprünglichen Inseln des Malaysischen Archipels mit einzigartiger Flora und Fauna im glasklaren Wasser des Südchinesischen Meeres. Hier haben wir die Schildkröteninseln Perhentian, dort Pulau Penang, die einstige Perle des Orients besucht.

 


„Gestern hat es wegen des starken Windes Verletzte gegeben!“ - Der Mann hat sich gerade als unser Bootsführer vorgestellt. Es ist kaum zu übersehen, dass er uns mit solchen Äußerungen beeindrucken will. Wir müssten noch auf zwei weitere Fahrgäste warten, dann ginge es gleich los. Vor dem Bootssteg reihen sich in der modernen, überdachten Abfertigungszone Souvenirläden, Essstände und Reisebüros. Beim Einchecken werden Fahrtausweis und der Nachweis über die entrichtete Gebühr für die Erhaltung des Naturschutzgebietes Redang National Marine Park vorgezeigt. Alles ist gut organisiert und auf die Abfertigung einer großen Zahl von Passagieren eingerichtet.

Der kleine Fährhafen Kuala Besut liegt in Terengganu, einem Bezirk im Nordosten Malaysias, unweit seiner Grenze zu Thailand. Von hier aus bringen die mit zwei, zuweilen drei leistungsstarken Außenbordmotoren ausgestattete Schnellboote Besucher zu den zehn Seemeilen entfernten Inseln Perhenthians. Die Fahrzeit beträgt 30 Minuten, bei bewegter See entsprechend mehr.

Die Holzhäuschen unserer Ferienanlage auf der mit einer Fläche von ca. zwei Quadratkilometern größeren der beiden bewohnten Inseln sind unter schattenspendende Bäume an einen dichtbewaldeten Hang gebaut und mit einem Weg miteinander verbunden. Von unserer kleinen Veranda haben wir einen schönen Blick auf eine kleine Bucht, und einen guten Überblick über alle Gästebewegungen. Leicht sind zwei Gruppen auszumachen: Die Einwohner des Gastlandes mit kopftuchtragenden Frauen und Mädchen in vorzugsweise dunkler, langer Kleidung und die viel Haut zeigenden Ausländer in Urlaubs- und Badekleidung. Da es in Malaysia zurzeit einige Tage Schulferien gibt, überwiegen die malaiischen Familien mit Kindern.         


Tauchen im Tschador

 

Sie kommen schon mit den ersten Booten und während nach Bezug des gewünschten Hauses die Frauen noch auspacken, sind die Väter mit ihren Söhnen bereits mit einer Schnorchelausrüstung zwischen den vor dem Strand liegenden Felsen in das klare Wasser eingetaucht. Sie bleiben meist nur zwei bis drei Tage und es scheint nicht viel Zeit zu sein, fremdartige Nachbarn zu grüßen oder mit ihnen Kontakt aufzunehmen.     
Die westlichen Touristen bleiben in der Regel lang genug, um die Angebote der Tauchschulen - Anfänger- und Fortgeschrittenenkurse mit Fischkunde und Tauchfahrten - nutzen zu können und die noch relativ gut erhaltene Unterwasserwelt zu erleben. Auch sie haben ein volles Programm, so dass kaum Zeit fürs Sonnenbaden und zum Lernen des Unterrichtsstoffes bleibt. Alle jedoch nehmen an den angebotenen Bootsausflügen in die Schildkrötenbucht teil. Niemand kann sagen, wie lange diese selten gewordenen Tiere noch an die einsamen, abgesperrten Strände kommen und ihre Eier in den heißen Sand legen, um das Überleben ihrer Art zu sichern.

Zugegeben, die Perhenthians im Südchinesischen Meer vor der Ostküste Malaysias sind sehr beeindruckende Inseln. Umgeben von großen Korallenbänken, steigen sie aus tiefblauem Wasser auf und erheben sich mit urwaldähnlich bewachsenen Hügeln über das Meer. Rundgeschliffene Felsengruppen bilden eine schützende Grenze. Nahezu lieblich schmiegen sich dazwischen langgestreckte Buchten mit schneeweißem Sand. Dank der weißen Farbe des feingemahlenen Korallensands leuchtet das Wasser in hellem türkisgrün wie auf kitschigen Urlaubspostkarten. Selbst vom Strand aus sind im Wasser Fische unterschiedlicher Größe auszumachen. Gegen den in allen Reiseprospekten verwendeten Bezug auf das Paradies kann man sich kaum wehren. Die große Zahl der hier anreisenden Besucher allerdings lässt Zweifel an seinem Schutz aufkommen.

Mohamad, ein Fischer, den wir am Strand treffen, bietet uns mit seinem Boot Ausflüge zu den anderen Inseln an. Er habe viele französische Freunde, die jedes Jahr wiederkämen und gern mit ihm Ausflüge machten. Aluminiumboot und Außenborder werde er im nächsten Sommer, nach drei Jahren, abbezahlt haben. Dann könne er seinem Sohn eine Ausbildung auf dem Festland ermöglichen.     
Nach so viel Optimismus beklagt er die Verunreinigung der Strände durch die Touristen, es gäbe seiner Meinung nach auch viel zu viele Boote. An ruhigen Tagen könne man auf der Wasseroberfläche gut den von den Motoren hinterlassenen Ölfilm erkennen. Die Tauchlehrer, die mit der Unterrichtung der Tauchschüler auch einen Beitrag zum Umweltschutz leisten, bestätigen, dass die Sicht an den Korallenbänken schlechter wird. Bestimmte Fische seien immer seltener zu sehen. Obwohl es für die 35 Chalets in unserer Ferienanlage, wie auch für die anderen Resorts und Unterkünfte, Tanks zum Auffangen der Abwässer gibt, läuft mit Shampoo- und Seifenresten versetztes Wasser aus Dusche und Waschbecken direkt aus dem Badezimmer in den Boden - fünfundzwanzig Meter vom Strand entfernt. Und, in der Hochsaison und bei starkem Regen würden Chemietanks regelmäßig überlaufen.

 

Tradition und Gelassenheit

 

Dennoch: Jeden Morgen, nachdem die Tauchsportler ihre Flaschen geräuschvoll gefüllt und in die Boote verstaut haben, ist es schön zu sehen, wie jeder der kleinen Sandstrände zwischen den runden Felsen nach und nach mit großen Familien bevölkert wird. In voller Bekleidung setzen sich die Mütter geduldig, häufig stundenlang, ins warme Wasser, um sie herum planschen ihre mit orangefarbenen Schwimmwesten gesicherten Kinder, Jungen und Mädchen ohne Unterschied. Am Strand zurück bleiben würdevolle Väter, alles genau beobachtend.   
Heute Vormittag gibt es große Aufregung: Direkt vor der Tauchstation hat sich im flachen Wasser ein recht großer und offensichtlich seltener Fisch verirrt. Eine Mitarbeiterin der Station nähert sich vom sandigen Strand aus auf allen Vieren vorsichtig dem Tier. Nur mit Bikini bekleidet und einer Taucherbrille vor den Augen schiebt sie langsam ihren Oberkörper unter Wasser. Dem dicken, knapp einen Meter langen Fisch auf zwei Meter nahegekommen, bringt sie kurz ihren Kopf zum Luftholen über Wasser. Aufgeregt ruft sie den versammelten Schaulustigen zu: „Ein großer Fisch, ein großer Fisch!“ Auch die muslimischen Familienväter beobachten mit Interesse den im knappen Bikinihöschen über Wasser gehaltenen Po der jungen Frau und den Fisch unter Wasser.

Unser Nachbar reist mit seiner Familie am drittenTag wieder ab. „Bruder, wir reisen weiter in die Cameron Highlands“, verabschiedet er sich ebenso freundlich wie bei seiner Ankunft. Schon da fielen uns der elegante weiße Anzug mit der langen Jacke und das Goldgestell seiner Brille auf. Mehr noch allerdings der Niqab, der Gesichtsschleier aus feiner schwarzer Seide, hinter dem uns seine beiden jungen Töchter mit fester kindlicher Stimme grüßten. Seine Frau am Schluss der Gruppe trug das übliche, glatte Kopftuch und den größten Teil des Reisegepäcks. Über einen freundlich gewechselten Gruß kam unsere Kommunikation in den Tagen nicht hinaus. Die Familie isst in ihrem Chalet. Täglich holen die Töchter Speisen und Getränke aus dem Restaurant.           
Und doch: Am späten Nachmittag entdecken wir sie etwas abseits in einer kleinen Bucht beim Schnorcheln. Ohne Scheu und Rettungsweste, allerdings mit schwarzem Tuch, sorgfältig um Kopf und Gesicht gewickelt. Nur die Taucherbrillen bleiben ausgespart. Somit können sie auch ihren am Strand wachenden Vater ständig beobachten.

 

 

Penang - Wiedersehen mit einer alten Liebe

 

Die alte Fährverbindung zwischen Butterworth und Georgetown existiert noch. Vom Oberdeck der Autofähre können wir bereits vor Ankunft Einzelheiten der Hafenseite von Georgetown ausmachen: Den alten Glockenturm, die im Victorianischen Stil gebauten ehemaligen englischen Verwaltungsgebäude. Auch das über dem Wasser auf Stelzen errichtete Fischerdorf ist noch nicht abgerissen. Der Komtar-Hochhausturm hat, über die Stadt verteilt, modernere Nachbarn erhalten. Links sehen wir die vierspurige Brücke, die Penang am Ausgang der Malaccastraße seit einigen Jahren mit den modernen Autobahnen Malaysias verbindet. Uns scheint, die Insel hat dadurch viel von ihrer Unschuld verloren. Südlich sind weitläufige Hochhaus-Neubausiedlungen, und weiter zum Flughafen hin moderne Gewerbegebiete entstanden. Im Norden ergänzen großzügige Hafenanlagen mit Be- und Entladevorrichtungen für Container das Bild einer aufstrebenden Region. Wir sind auf der Suche nach dem, was vom Charme der einstigen Perle des Orients noch wiederzufinden ist.

Im Hotel werden wir von einer Gruppe chinesischer Ehepaare aus Singapur mit Informationen nahezu überschüttet: Sie machten gern von Zeit zu Zeit zusammen ein paar Tage Urlaub in Penang. Das Busnetz sei erheblich ausgebaut worden, die Fahrzeuge bequem und klimatisiert. Wenn man einen chinesischen Tempel gesehen habe, kenne man alle. Einen Ausflug auf den Peak könne man sich sparen, die Seilbahn sei wieder in Reparatur. Ebenso einen Abstecher zu den Wasserfällen. Das Wetter sei zurzeit zu trocken - kein Wasser, keine Wasserfälle. So eingestimmt und mit vielen Karten und Prospekten versorgt, bedanken wir uns und machen uns auf in die alten chinesischen Quartiere von Georgetown.
           
Die melancholische Perle des Orients

 

Straßen, Straßennamen, sogar die Straßenschilder haben die letzten dreißig Jahre unverändert überdauert. Nur sind die von überdeckten Abflussrinnen eingerahmten Fahrwege heute asphaltiert. Überall findet man auf viersprachigen Tafeln, in zwei unterschiedlichen chinesischen Sprachen, in indischem Sanskrit und Englisch, Informationen zur jeweiligen Straße: Bedeutung des Namens, Zeitpunkt der Gründung, Herkunft und Berufe der Erstbewohner. Mache Straßeneingänge, wie an der Leboh Campell, sind mit kunstvollen Bögen aus Gusseisen überspannt. Auf Bildtafeln mit alten Fotos wird an die Geschichte der Einwanderer in Georgetown erinnert. Die alten chinesischen Viertel der Stadt aber auch Little India gehören mittlerweile zum UNESCO-Weltkulturerbe. In einem Informationszentrum kann man sich über die verschiedenen Maßnahmen zum Erhalt dieses Erbes informieren. Hier erklärt uns der malaiische Direktor den Fortgang über die Untersuchungen der Bautechnik der Chinesen und zeigt uns eine Ausstellung verschiedener Dachpfannen. Als nächstes müsse man dafür sorgen, dass die Chinesen ein Einsehen in die Notwendigkeit der Beseitigung der Vogelnester hätten. Es ginge nicht an, dass die Chinesen die birdsnests unter ihren Dächern schützten, nur um daraus teure Medizin herzustellen. Zum Abschied müssen wir uns noch mit ihm für eine Broschüre fotografieren lassen. Wir sollten Deutschland schön von ihm grüßen.

 

Wenig später finden wir die kleine Gasse wieder, in der täglich ab vier Uhr chinesischer medizinischer Tee angeboten wird. Die Frau, die aus den großen polierten Messingkannen heißen Kräutertee mit Honig ausschenkt oder powdertea gegen Magenbeschwerden, Kopfschmerzen oder Erkältung zubereitet, freut sich, dass uns ihr Tee schmeckt. Wir kommen ins Plaudern. Zum Abschied fragen wir nach den recht bitteren Zutaten des powderteas. Ja, hier werde auch gemahlenes birdsnest verwendet.      
Einige der Häuser in der kleinen Seitenstraße stehen leer und sind dem Verfall preisgegeben. Die meisten anderen werden im Erdgeschoß als Lager oder Werkstatt genutzt. Der erste Stock dient in der Regel als Wohnung. In den Hauptstraßen sind die meisten Häuser frisch renoviert und mit kräftigen Farben angestrichen. Hier und da hängen rote Laternen. Den Geschäften scheint es gut zu gehen. Wir können uns jedoch nur schwer vorstellen, wovon beispielsweise die zahlreichen Schmuckgeschäfte leben, in denen mehrere männliche und weibliche Verkäufer hinter vergitterten Verkaufstresen warten. In solchen Läden sehen wir nur selten einen Kunden. Die bewaffneten Sicherheitskräfte lassen allerdings keinen Zweifel aufkommen, dass die schweren Colliers, Ketten und Ringe wirklich aus Gold bestehen.  

Auf der Suche nach dem alten New China Hotel werden wir nur durch Zufall fündig. Es existiert nicht mehr. Sein schönes Holzgebäude wird nun ein Überleben als Chocolate Boutique fristen. Es teilt das Schicksal mit anderen Institutionen. Nicht selten haben Fluglinien, Reisebüros, Elektronikgeschäfte Einzug in einstmals traditionelle Häuser gehalten. Dem weltberühmten Eastern & Oriental Hotel immerhin scheint das Überleben dank finanzstarker Investoren gesichert. Die Zahl der Seidengeschäfte allerdings ist auf die Hälfte zurückgegangen. Ein Unternehmenszweig allerdings scheint ungebrochen zu florieren. Ob frühmorgens auf dem Gemüsemarkt, an den Fischständen, in den Geflügelhallen, mittags an den Essplätzen auf der Straße, abends in den Restaurants - überall ist eine laute, unglaubliche Geschäftigkeit zu beobachten, als sei der Tag angebrochen, an dem das letzte Mal gegessen werden darf. Die Chinesen sind anspruchsvolle Esser. Ihre Küche ist gut und vielfältig und es ist schlecht vorstellbar, dass Kentucky Fried Chicken daran etwas ändern könnte.

 

Chinesische Tempel und lebendige Tradition

 

Donnerstags sei mehr los. Dann kämen viele Gläubige um zu opfern, zu beten und Dienste des Tempels an Anspruch zu nehmen. Wir sind mit den beiden Männern derzeit die einzigen Besucher im Goddes-of-Mercy-Tempel. Sie bewegen sich diskutierend und scherzend von einem Raum zum andern. Unsere Frage nehmen sie bereitwillig zum Anlass, Auskunft über die in den Schreinen aufgestellten Götter und ihre Namen zu geben, in welchen Angelegenheiten man sie anrufen könne. Ja, einer der Männer habe bereits das Ritual einer Befragung begonnen. Dann aber habe der angerufene Gott durch das Resultat beim Werfen der beiden nierenförmigen Holzstücke bedeutet, dass er heute keine Zeit für ihn habe. Das Lachen des Zurückgewiesen scheint fast ein bisschen verlegen. Solche Handlungen fänden vor allen Augen statt, niemand störe sich an der Öffentlichkeit bei der religiösen Erörterung privater Probleme.           
Am Donnerstag dann können wir uns selbst davon überzeugen. Bereits der Vorplatz zum Tempel ist in dichten Rauch gehüllt. In großen aufgestellten Öfen werden Pakete von Tempelgeld verbrannt, den Göttern zu ihrer Beschwichtigung geopfert. Riesige Räucherstäbe treiben uns Tränen in die Augen. In benachbarten Verkaufsständen können die Gläubigen neben Tempelgeld auch bündelweise Räucherstäbchen und Öl kaufen. Alles soll die Götter in eine freundliche Stimmung versetzen, die in ihrem Urteil auf die Gläubigen zurückwirken soll.           
Im Inneren des Tempels ist vor Menschen kaum durchzukommen. Der Rauch wird dichter, Tempelhelfer mit Schutzbrillen räumen heruntergebrannte Räucherstäbchen ab. Gleichzeitig wird geopfert, gebetet, die Hilfe von Priestern bei religiösen Ritualen in Anspruch genommen. Niemand nimmt Anstoß an uns. Es herrscht scheinbar heilloses Durcheinander. Als wir nach einiger Zeit die Tempeleinfriedung wieder verlassen, sind wir froh, wieder tief durchatmen zu können.


Die Love Lane ist eine eher ruhige Gasse, deren Name nicht zu falschen Schlüssen verleiten sollte. Es ist acht Uhr und bereits dunkel, als wir aus den geöffneten Fenstern im Obergeschoß eines Clanhauses Musik und lauten Gesang hören. Es scheint sich um Chinesische Oper zu handeln. Vorsichtig ins Erdgeschoss eintretend, befinden wir uns in einem großen, hellerleuchteten Saal, erfüllt vom typischen Klick-Klack des Ma-Jongg-Spiels. Alle Tische sind besetzt. Niemand von den Frauen und Männern schenkt uns Beachtung. Erst als wir fragend in Richtung Obergeschoß zeigen, bedeutet man uns ermunternd, nur weiter über die Treppe am Ende des Saals noch oben zu gehen. Vorbei an einer langen Galerie alter, schwarzweißer Porträtfotografien gelangen wir in den zu unserer Überraschung leeren Saal des ersten Stocks. Nur am anderen Ende sehen wir eine Dame und einen älteren Herrn. Beide stehen mit Mikrophon vor einem großen Farbbildschirm, auf dem ein junges, stark geschminktes Paar in chinesischen Kostümen ein Liebesduett singt. Der Gesang allerdings wird lippensynchron, mit verhalten schönen Gesten von unserem Paar dargeboten und über Verstärker auf die Lautsprecher übertragen. Beeindruckt lauschen wir dem perfekten playback. Unsere Anwesenheit bleibt nicht unbemerkt. Der Herr nickt uns einige Male freundlich zu. Zu gern hätten wir einige Informationen von ihnen über diese Darbietung erhalten. Das Stück schien allerdings noch lange nicht am Ende zu sein. Wir verabschieden und mit freundlichem Nicken von dem großartigen Duo. Beim Hinausgehen durch den unteren Saal nimmt wieder niemand Notiz von uns. Wir haben jedoch bereits auf der Gasse den Eindruck, dass uns jeder wahrgenommen hat.

 

„Kopi, Kopi, one egg, one egg, toast buttel, no sugal“. Auf dieses Frühstück freuen wir uns schon seit Tagen. Nach zwei Wochen sind wir wieder nach Georgtown zurückgekehrt. Es ist fast wie Heimkommen. Wir frühstücken an den beiden letzten Tagen, die uns in dieser Stadt mit ihren wunderbaren Menschen bleiben, wieder an unserem Lieblingsplatz. Eingeklemmt zwischen zwei Hauszeilen, hat sich in einem engen Durchgang dieser Essplatz etabliert: Einfache Plastikhocker, kleine runde Tische, zwischen die Häuser Segeltuch gegen die Sonne und als Schutz vor Regen gespannt, ein offener Küchenofen. Hier wuseln den ganzen Tag vier Personen um Tee oder Kaffee zu kochen, über offenem Feuer Brote zu rösten und mit Butter zu bestreichen, Reis mit Gemüse in Papiertüten zu füllen. In den Morgenstunden bleibt kein Platz leer. Manche Gäste kommen vor Bürobeginn mit dem Auto, besprechen sich, andere lesen Zeitung, junge Frauen in Hotpants sehen wir später auf dem Markt beim Einkauf wieder. Obwohl wir keine alten Stammgäste sind, werden wir doch von den anderen Frühstücksgästen herzlich begrüßt. Man freut sich, dass es uns schmeckt, dass wir immer wiederkommen. Unsere flinke, leicht nervöse Bedienerin, wie immer in lila Gummistiefeln, legt kurz die Hand auf unsere Schulter, weiß sie doch auch nach zwei Wochen noch genau, was wir wohl bestellen werden: Zwei Kaffee, zweimal Ei im Glas, ein Toastbrot mit Butter ohne Zucker.

 Als wir am nächsten Tag weiterreisen, nehmen wir die Gewissheit mit, dass unter den vielen Schätzen, die in Penang zu finden sind, seine Menschen der größte sind.

 

Malaysia, März 2010

 

Photos:

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