Sizilien – Sich der Insel vom Westen nähern
„Oben oder unten“? fragte uns vor Jahren die stets zuvorkommende Beraterin in unserem Hamburger Reisebüro. Oben war für sie das schicke Taormina und unten der Strand von Mazzarò. Wie ein Reflex zielte die Antwort auf unsere Frage nach Sizilien-Reisen auf die in allen Reisekatalogen angepriesene 200 m über dem Meer liegende Touristenhochburg an der Ostküste Siziliens. Wer sich jedoch den grandiosen Blick auf den immer aktiven Ätna für einen späteren Teil seiner Reise aufsparen kann, sollte sich der Insel, wie einst die Phönizier, Garibaldi oder amerikanische Landungstruppen vor Ende des zweiten Weltkrieges, vom Westen dieser größten Mittelmeerinsel nähern.
Träume unter den Wolken
Es ist Anfang September und die Scharen italienischer Urlauber haben Sizilien zu Ende des ferragosto wieder verlassen. Das Thermometer steigt immer noch auf 35 Grad. Wir besuchen wieder einmal Guiseppe auf seinem Landsitz. Der leichte Windzug, der vom Golfo di Castellamare über das Hügelland weht, wirkt angenehm erfrischend. Den Besitzer des Anwesens treffen wir an der höchsten Erhebung seines Landes. Eine wundervolle Aussicht weit über das hügelige Land belohnt uns für den schweißtreibenden Aufstieg. Hier wolle er sich endlich seinen lang gehegten Wunsch erfüllen und eine Sauna bauen, begrüßt er uns. Unsere spöttische Ungläubigkeit kann ihn nicht beirren. Er habe eine sehr preisgünstige Lösung entwickelt und mit Freunden bereits mit dem Bau begonnen. Und in der Tat: Das achteckige Stahlgerüst mit dem in der Mitte errichteten Kaminrohr lässt vermuten, dass er sich keinen Scherz mit uns erlaubt und uns verstummen. Haben uns doch vor Jahren bereits seine selbstgebaute Solaranlage zur Stromgewinnung, das wohldurchdachte Wasserversorgungssystem mit eigenem Brunnen, seine verblüffend einfache Zentralheizung in Staunen versetzt. Nicht zu vergessen: den einen Steinwurf von der Baustelle entfernten Tennisplatz.
Guiseppe, studierter Naturwissenschaftler, ist bereits über fünfzig und hat vor gut zwanzig Jahren auf dem vom Großvater geerbten Farmland ein zweigeschossiges Wohngebäude mit vier Gästezimmern gebaut, Sein neues Leben als Landwirt wollte er fortan mit dem eines Gastwirtes verbinden. Wir saßen vor zehn Jahren das erste Mal bei Guiseppe zu Tisch. Er hatte direkt am Hafen Fisch für den Grill besorgt. Auf der langen Tafel standen frisches Brot, in Öl eingelegte getrocknete Tomaten, Peperoni, eingelegte Oliven und ein großer Laib Pecorino - guter alter Schafskäse. Das Abendessen teilten wir mit einer Gruppe Amerikanerinnen, die tagsüber in Palermo auf der Suche nach Spuren ihrer aus Sizilien stammenden Vorfahren waren. Guiseppe kam recht in Erzählerlaune und versuchte, seine Gäste mit erfundenen Mafiageschichten zu unterhalten. Zwischendurch, beim Weinholen, verdeckte er betont unauffällig mit einer Arbeitsjacke die an der Garderobe hängende längst verrostete Lupara - die traditionell bei Blutrache eingesetzte Flinte. Die Amerikanerinnen, aus ihrer Heimat eigentlich stärkere Kaliber gewohnt, gingen mit recht gemischten Gefühlen zu Bett. Wir haben das Essen, den Weißwein aus Alcamo und die Unterhaltung sehr genossen.
Am nächsten Morgen versorgte Guiseppe alle mit guten Ratschlägen für Ausflüge und Unternehmungen. Natürlich beginnt er mit dem in Blickweite liegenden gut erhaltenen dorischen Tempel von Segesta und dem ihm benachbarten griechisch-römischen Theater. Nur beiläufig erwähnt er, dass das am Wege liegende kleine Städtchen Calatafimi 1860 Schauplatz des ersten Sieges Guiseppe Garibaldis über die bourbonischen Truppen war. Auf der Fahrt nach Castellamare del Golfo, dem einstigen Hafen Segestas, könne man im schwefelhaltigen Wasser der heißen Therme von Segesta ein Bad nehmen.
SECHS JAHRE SPÄTER
Eine der vier geplanten Wochen liegt nun hinter uns. Wir sind in Ubud, einem bekannten Touristenziel in der Mitte der Insel Bali. Der Schlafrhythmus ist angepaßt, dank der ca 300 m über dem Meeresspiegel weht immer ein kühlendes Lüftchen, das Klima ist sehr gut erträglich.
Unserer Unterkunft besteht aus drei Chalets mit insgesamt sechs Ferienwohnungen. Wir haben eine offene, nicht überdachte Dusche, eine Terrasse und einen großen Schlafraum mit Blick auf Reisfelder und tropische Vegetation.
Das Dörfchen Ubud habe ich das erste mal vor ca. 40 Jahren besucht. Es gab damals noch keinen elektrischen Strom und nur drei Übernachtungsmöglichkeiten. Nicks Losmen war eine davon. Nick ist heute Besitzer von fünf zeitgemäßen touristischen Einrichtungen, alle mit Swimmingpool. Er arbeitet nicht mehr. Nick habe ich nicht gefunden, dafür einen seiner Söhne. Er hat sofort ein Foto von uns gemacht und seinem Vater geschickt. Dieser lässt uns grüßen und fragt, warum wir nicht bei ihm wohnen.
Die Dorfstraße, in der wir untergebracht sind, hat sich vollkommen verändert. Gepflasterte schmale Straße, jede Menge Geschäfte, Anbieter von Touren, Taxifahrten oder Motorrollern, Essplätze und kleine Hotels zeigen den Fortschritt, der ganze Familien ernähren soll.
In den zwei Jahren der Pandemie haben auch die Balinesen sehr gelitten. Durch das Reiseverbot sind die Touristen weggeblieben. Jetzt, mit der Öffnung, sind auch die Menschen wieder zuversichtlich. Sie wissen, dass Bali immer ein Sehnsuchtsort für viele Menschen auf der Welt bleiben wird. Auch wenn sich vieles verändert. Immerhin - die Menschen sitzen in Gruppen oder allein vor ihren Häusern oder Geschäften. Sie grüßen jeden, der vorbeiläuft. Sie haben ihren Humor nicht nur behalten sondern zu einem Überritual gemacht. Wenn man wieder und wieder mit scheinbar freundlichem Interesse gefragt wird, ob es einem gut gehe, wohin man denn jetzt gehe, und man mit scherzhaftem Ton antwortet, man wisse schon, dass sie einem nur eine Taxifahrt aufschwätzen wollten, brechen sie in herzhaftes Lachen aus und die ganze Gruppe der dabeisitzenden Männer lacht begeistert laut mit.. Sie nehmen es einem auch nicht übel, wenn man ihre Begrüßung "Hallo Pa" mit "Hallo Ma" beantwortet .Nach einigen Tagen sind wir bereits bekannt und der Gang über die Dorfstraße wird nur noch mit freundlichem "Hallo" begleitet.
Wir waren in der Zeit, die wir auf Sizilien lebten, nie Eis essen gegangen. Hier auf der Jalan Bisma waren wir. Die Eisdiele nennt sich Lina Roxborough. Im Raum hinter ihrer Eis -Theke produziert Lina Eis und malt bunte Blumenbilder. Davor sind zwei kleine Tischchen und vier Stühle aufgestellt. Lina ist einem Gespräch nicht abgeneigt und erzählt mit wenigen Sätzen ihr halbes Leben. Ihr Nachname komme von ihrem an Krebs gestorbenen Ehemann. Er stammte aus England. Dort würden jetzt auch beider Kinder leben und sie besucht den Rest der Familie jedes Jahr für vier Monate. Mit leichtem Schmunzeln erzählt sie uns, dass sie bisher vergeblich seine Liste gesucht habe. "Seine Liste?" Ja, er habe in den letzten Monaten seiner Krebserkrankung Männer, die er für sie als seine Nachfolger für geeignet hielt, auf eine Liste setzen wollen. Und diese Liste suche sie jetzt. Der Mann scheint viel Humor gehabt zu haben.
Heute beim Frühstück auf der Gemeinschaftsterrasse gab es große Aufregung. Das tschechische Ehepaar an unserem Nachbartisch erhielt überraschend Besuch von einer ausgewachsenen Makakendame. Blitzschnell kam die Äffin aus dem Reisfeld über das Geländer gesprungen, rauf auf einen freien Stuhl, mit zwei sicheren Griffen wurden eine Banane und eine Toastbrotscheibe gegriffen und ab zurück ins Reisfeld. Jedes laute Schreien und Wedeln mit den Händen kam zu spät. Hingegen kamen von allen Seiten weitere Artgenossen und aus der Küche die beiden jungen Frauen, die immer den Kaffee, den Fruchtsalat und den Banana-Pancake servierten. Mit Zwille und Bambusstöcken, lautem Klatschen und Schreien aller Anwesenden wurden die ungebetenen Gäste auf Dächer und in die umstehenden Palmen vertrieben. Der Zwischenfall sorgte für reichlich Gesprächsstoff, das entspannte Frühstück stockte für eine Weile.
Unseren Malerfreund aus vergangenen Besuchen haben wir nicht mehr angetroffen. In dem Anwesen seiner Familien trafen wir nur seinen Bruder. Made sei vor vier Jahren gestorben. Das Malereigeschäft läuft weiter. Mades Sohn hat das Taxigeschäft seines Vaters übernommen. Er war ganz gerührt, dass er uns an Vaters statt von Penestanan zur Jalan Bisma fahren konnte. Wir überlegen Bilder mitzunehmen und sie in Deutschland Galerien anzubieten.
Gestern war es auf der Jalan Bisma für kurze Zeit ganz ruhig. Es war gegen 17:00 Uhr als eine schwarze Limousine, derart wie sie für Taxifahrten angeboten werden, neben einem vornehmen Hotel vorfuhr. Als offensichtliche Fahrgäste erschienen am Hoteleingang zwei Damen schwarzer Hautfarbe. Das allein wäre noch kein Grund gewesen, dass die Männer ihre Gespräche einstellten und ihre Aufmerksamkeit dem gleichen Ereignis zuwendeten. Das Ereignis war eigentlich kein Ereignis: Zwei Damen verlassen eine Balinesische Unterkunft und bewegen sich mit sorgfältig gesetzten Schritten ca. 20 Meter auf ein Auto zu. Die Damen selbst waren das Ungewöhnliche, ja geradezu Erstaunliche. Ihr Alter war schwer einzuschätzen. Sie waren sehr stark geschminkt, die Lippen kräftig rot, die Augen mit künstlichen Wimpern entfremdet, große Ringe an den Ohren. Beider Leibesumfang war gigantisch. Mengen bunten Tuches waren aufgewendet, um enorme Rundungen zusammenzuhalten und zu betonen. An den Füßen trugen sie Pantoffel, ein Paar war mit Pommeln geschmückt. Ihre wenigen Bemerkungen sprachen sie in amerikanischem Englisch.
Dieser Auftritt führte bei den Balinesischen Männern förmlich zu einer Art Atemstillstand. Keiner machte eine Bemerkung. Keiner ließ den anderen erkennen, welch groteskes Schauspiel er eben wahrgenommen hatte. Höflichkeit und Toleranz waren nicht zu überbieten.
Eine der vier geplanten Wochen liegt nun hinter uns. Wir sind in Ubud, einem bekannten Touristenziel in der Mitte der Insel Bali. Der Schlafrhythmus ist angepaßt, dank der ca 300 m über dem Meeresspiegel weht immer ein kühlendes Lüftchen, das Klima ist sehr gut erträglich.
Unserer Unterkunft besteht aus drei Chalets mit insgesamt sechs Ferienwohnungen. Wir haben eine offene, nicht überdachte Dusche, eine Terrasse und einen großen Schlafraum mit Blick auf Reisfelder und tropische Vegetation.
Das Dörfchen Ubud habe ich das erste mal vor ca. 40 Jahren besucht. Es gab damals noch keinen elektrischen Strom und nur drei Übernachtungsmöglichkeiten. Nicks Losmen war eine davon. Nick ist heute Besitzer von fünf zeitgemäßen touristischen Einrichtungen, alle mit Swimmingpool. Er arbeitet nicht mehr. Nick habe ich nicht gefunden, dafür einen seiner Söhne. Er hat sofort ein Foto von uns gemacht und seinem Vater geschickt. Dieser lässt uns grüßen und fragt, warum wir nicht bei ihm wohnen.
Die Dorfstraße, in der wir untergebracht sind, hat sich vollkommen verändert. Gepflasterte schmale Straße, jede Menge Geschäfte, Anbieter von Touren, Taxifahrten oder Motorrollern, Essplätze und kleine Hotels zeigen den Fortschritt, der ganze Familien ernähren soll.
In den zwei Jahren der Pandemie haben auch die Balinesen sehr gelitten. Durch das Reiseverbot sind die Touristen weggeblieben. Jetzt, mit der Öffnung, sind auch die Menschen wieder zuversichtlich. Sie wissen, dass Bali immer ein Sehnsuchtsort für viele Menschen auf der Welt bleiben wird. Auch wenn sich vieles verändert. Immerhin - die Menschen sitzen in Gruppen oder allein vor ihren Häusern oder Geschäften. Sie grüßen jeden, der vorbeiläuft. Sie haben ihren Humor nicht nur behalten sondern zu einem Überritual gemacht. Wenn man wieder und wieder mit scheinbar freundlichem Interesse gefragt wird, ob es einem gut gehe, wohin man denn jetzt gehe, und man mit scherzhaftem Ton antwortet, man wisse schon, dass sie einem nur eine Taxifahrt aufschwätzen wollten, brechen sie in herzhaftes Lachen aus und die ganze Gruppe der dabeisitzenden Männer lacht begeistert laut mit.. Sie nehmen es einem auch nicht übel, wenn man ihre Begrüßung "Hallo Pa" mit "Hallo Ma" beantwortet .Nach einigen Tagen sind wir bereits bekannt und der Gang über die Dorfstraße wird nur noch mit freundlichem "Hallo" begleitet.
Wir waren in der Zeit, die wir auf Sizilien lebten, nie Eis essen gegangen. Hier auf der Jalan Bisma waren wir. Die Eisdiele nennt sich Lina Roxborough. Im Raum hinter ihrer Eis -Theke produziert Lina Eis und malt bunte Blumenbilder. Davor sind zwei kleine Tischchen und vier Stühle aufgestellt. Lina ist einem Gespräch nicht abgeneigt und erzählt mit wenigen Sätzen ihr halbes Leben. Ihr Nachname komme von ihrem an Krebs gestorbenen Ehemann. Er stammte aus England. Dort würden jetzt auch beider Kinder leben und sie besucht den Rest der Familie jedes Jahr für vier Monate. Mit leichtem Schmunzeln erzählt sie uns, dass sie bisher vergeblich seine Liste gesucht habe. "Seine Liste?" Ja, er habe in den letzten Monaten seiner Krebserkrankung Männer, die er für sie als seine Nachfolger für geeignet hielt, auf eine Liste setzen wollen. Und diese Liste suche sie jetzt. Der Mann scheint viel Humor gehabt zu haben.
Heute beim Frühstück auf der Gemeinschaftsterrasse gab es große Aufregung. Das tschechische Ehepaar an unserem Nachbartisch erhielt überraschend Besuch von einer ausgewachsenen Makakendame. Blitzschnell kam die Äffin aus dem Reisfeld über das Geländer gesprungen, rauf auf einen freien Stuhl, mit zwei sicheren Griffen wurden eine Banane und eine Toastbrotscheibe gegriffen und ab zurück ins Reisfeld. Jedes laute Schreien und Wedeln mit den Händen kam zu spät. Hingegen kamen von allen Seiten weitere Artgenossen und aus der Küche die beiden jungen Frauen, die immer den Kaffee, den Fruchtsalat und den Banana-Pancake servierten. Mit Zwille und Bambusstöcken, lautem Klatschen und Schreien aller Anwesenden wurden die ungebetenen Gäste auf Dächer und in die umstehenden Palmen vertrieben. Der Zwischenfall sorgte für reichlich Gesprächsstoff, das entspannte Frühstück stockte für eine Weile.
Unseren Malerfreund aus vergangenen Besuchen haben wir nicht mehr angetroffen. In dem Anwesen seiner Familien trafen wir nur seinen Bruder. Made sei vor vier Jahren gestorben. Das Malereigeschäft läuft weiter. Mades Sohn hat das Taxigeschäft seines Vaters übernommen. Er war ganz gerührt, dass er uns an Vaters statt von Penestanan zur Jalan Bisma fahren konnte. Wir überlegen Bilder mitzunehmen und sie in Deutschland Galerien anzubieten.
Gestern war es auf der Jalan Bisma für kurze Zeit ganz ruhig. Es war gegen 17:00 Uhr als eine schwarze Limousine, derart wie sie für Taxifahrten angeboten werden, neben einem vornehmen Hotel vorfuhr. Als offensichtliche Fahrgäste erschienen am Hoteleingang zwei Damen schwarzer Hautfarbe. Das allein wäre noch kein Grund gewesen, dass die Männer ihre Gespräche einstellten und ihre Aufmerksamkeit dem gleichen Ereignis zuwendeten. Das Ereignis war eigentlich kein Ereignis: Zwei Damen verlassen eine Balinesische Unterkunft und bewegen sich mit sorgfältig gesetzten Schritten ca. 20 Meter auf ein Auto zu. Die Damen selbst waren das Ungewöhnliche, ja geradezu Erstaunliche. Ihr Alter war schwer einzuschätzen. Sie waren sehr stark geschminkt, die Lippen kräftig rot, die Augen mit künstlichen Wimpern entfremdet, große Ringe an den Ohren. Beider Leibesumfang war gigantisch. Mengen bunten Tuches waren aufgewendet, um enorme Rundungen zusammenzuhalten und zu betonen. An den Füßen trugen sie Pantoffel, ein Paar war mit Pommeln geschmückt. Ihre wenigen Bemerkungen sprachen sie in amerikanischem Englisch.
Dieser Auftritt führte bei den Balinesischen Männern förmlich zu einer Art Atemstillstand. Keiner machte eine Bemerkung. Keiner ließ den anderen erkennen, welch groteskes Schauspiel er eben wahrgenommen hatte. Höflichkeit und Toleranz waren nicht zu überbieten.